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Tavernenprojekt: Adventsgeschichte „Im Schatten des Winters“

Tavernenprojekt: Adventsgeschichte „Im Schatten des Winters“

Beitragvon Legolas Grünblatt » 1. Dezember 2024, 10:03

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Bitte haltet diesen Thread frei, außer ihr seid heute mit eurem Kapitel dran.
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Re: Tavernenprojekt: Adventsgeschichte „Im Schatten des Wint

Beitragvon Legolas Grünblatt » 1. Dezember 2024, 11:09

Seit der ewigen Kälte war kein Winter in Andor mehr so kalt gewesen.
Es schneite bereits seit einigen Tagen und das Rietland war von einer dicken Schneedecke bedeckt. Der Wachsame Wald wirkte kahl und trostlos, doch die Bewahrer hatten ein großes Feuer entzündet. Auch Cavern lag ruhig da, denn eine Schneewehe versperrte den Eingang zur Mine. Und auch im Rietland war es still, als würde die Andori ihren Winterschlaf abhalten.
Einzig aus der Taverne drangen laute Geräusche. Trotz des Wetters ließen es sich die Andori nicht nehmen, sich bei einem Met mit ihren Freuden und Bekannten zu treffen. Auch die Helden von Andor haben die Taverne zu dieser späten Stunde aufgesucht. Nach einem Trinkspiel war die Stimmung ausgelassen und niemand bemerkte, dass die Tür plötzlich aufgestoßen wurde und ein Mann hereinstürzte. Er trug einfache Kleidung und trug an der Seite eine Schwertscheide, in der sich merkwürdiger Weise keine Waffe befand. Einer der Helden warf ihm einen beiläufigen Blick zu und erstarrte. Der Mann presste seine Hand auf eine Fleischwunde an seiner Schulter. Das Gesicht des Fremden war schmutzig und blutverschmiert. Ein schmerzerfülltes Stöhnen entwich ihm, dann brach er zusammen.
Jetzt hatten ihn alle gesehen und redeten nun durcheinander. Schnell bildete sich eine Menschentraube um den Verletzten. Eine Blutlache breitete sich auf den hölzernen Dielen aus.
„Lasst mich durch!“, rief einer der Helden und kniete sich zu dem Mann. „Er wird verbluten!“, rief eine junge Frau in der Menge. Der Held fühlte den Puls des Mannes. Er lebte.
„Gilda!“, rief er, „Schnell, wir müssen ihn auf ein Zimmer bringen und die Wunde verbinden!“
Kurze Zeit später lag der Fremde auf einem Feldbett. Die Wunde war notdürftig vorsorgt worden. Er war endlich aus seiner Ohnmacht erwacht und blickte die Helden verwirrt an.
„Was ist passiert?“, fragte eine Heldin.
„Ich war im südlichen Wald unterwegs. Da habe ich merkwürdige Geräusche gehört. Ich konnte kaum etwas erkennen, denn es war schon dunkel. Aber plötzlich war ich mir sicher, dass ich nicht allein war. Ich hörte den Schnee knarzen. Ich zog mein Schwert, aber da hatte einer von ihnen mich schon erwischt.“
„Gors?“, fragte einer der Helden.
„Nein, sie hatten dunkle Schuppen und glühende Augen. Sie waren in der Dunkelheit kaum zu sehen, aber ich bin mir sicher, dass es Nachtgors waren.“
„Ihr müsst euch irren, es gibt in diesen Landen keine Nachtgors.“
„Doch, ich bin mir sicher!“
Die Helden sahen sich verunsichert an. Vielleicht hatte der Mann in seinem Todeskampf einen Gor oder Wargor für einen Nachtgor gehalten. Aber wenn es wirklich eine dieser hadrischen Kreaturen war, mussten sie der Sache auf den Grund gehen.
Trotz des vielen Mets, den die Gruppe getrunken hatte, brachen sich noch in der selben Nacht auf. Es war nicht weit bis zum südlichen Wald und die Neugier der Helden war geweckt worden.
Als sie den Wald erreichten, war es dunkel. Die Bäume waren kahl und dunkel. Der Schnee war hier so tief, dass die Helden sich mühsam vorarbeiten mussten. Tief im Wald war es still, da alle Geräusche vom Schnee gedämpft wurden. Hin und wieder schrie eine Eule oder ein Busch raschelte.
Plötzlich sahen die Helden ein grelles, bläuliches Glühen zwischen den Bäumen aufleuchten.
Und dann kamen sie. Nachtgors.
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Re: Tavernenprojekt: Adventsgeschichte „Im Schatten des Wint

Beitragvon Butterbrotbär » 5. Dezember 2024, 23:38

Das bläuliche Glühen strahlte aus den vier Augen der beiden Kreaturen, die vor der Heldengruppe aus dem Gestrüpp brachen.
Lange Hauer, spitze Hornklauen, dunkle Schuppen – zweifelsohne waren dies Nachtgors aus Hadria, dem fernen Land der Magie. Doch diese beiden Nachtgors schienen nicht an Menschenfleisch interessiert. Der linke Nachtgor hielt sich die linke Schulter, an der schwarzes Blut heruntertropfte. Der andere zog sein rechtes Bein hinter sich her. Sie erstarrten, als sie der vier bewaffneten Helden gewahr wurden.
Vier Heldenaugenpaare starrten in vier pupillenlose Kreaturenaugen.
Eine Eule schrie in der Ferne.
Und Bewegung kam über die Nachtgors. In entgegengesetzte Richtungen humpelten sie davon.
Kheela, die Hüterin der Flusslande, brüllte ihnen hinterher: "Ja, lasst euch hier nicht mehr blicken! Und in den Flusslanden auch nicht!" Dann richtete sie ihre zeremonielle Ghirlada und blickte stolz in die Runde.
Kram, der Tiefminen-Arbeiter aus Cavern, rieb seine Finger, an denen immer noch das getrocknete Blut des verletzten Andori klebte. "Unser Andori hatte nicht einmal sein Schwert gezogen. Nicht er hat diese Nachtgors so zugerichtet. Sind die eigentlich immer so ängstlich?"
Chada, die ehemalige Bewahrerin aus dem Wachsamen Wald, ließ ihren Bogen Audax sinken und furchte nachdenklich ihre Stirn. "Wenn Eara oder Tenaya hier wären, könnten die dir sicher genaueres sagen. Nach dem wenigen, was ich von Nachtgors gelesen habe, sind sie vergleichbar mit den hiesigen Gors, verstehen sich aber umso besser auf schneeige Umgebungen. Der Legende nach sollen sie nach dem prophezeiten Qurun in Scharen aus der Hadrischen Unterwelt dringen, wie es einst unsere Gors nach dem Unterirdischen Krieg aus Krahal taten."
Aćh, die Takuri-Hüterin aus dem fernen Tulgor, ließ ihr goldenes Mondschwert zur Sicherheit gezogen. "Soll Turr ihnen folgen? Oder wollen wir vielmehr herausfinden, wovon diese Nachtgors flohen?"
Nach rascher Beratung kamen die vier Helden zum Schluss, dass die beiden verletzten Nachtgors keine akute Gefahr darstellten. Stattdessen wollten sie sich weiter ins Unterholz des südlichen Waldes vorwagen und versuchen zu ergründen, wer oder was die Nachtgors verletzt hatte.
Die kahlen Bäume warfen lange Schatten über den dunklen Schnee. Es knirschte laut unter den vier Paar Stiefeln, so leise die Helden auch zu schleichen versuchten.
Kram hatte als Zwerg natürlich die beste Sicht in der Dunkelheit, und so hatte er kein Problem, die Fährten der Gors zu erspähen. Problematisch war eher, dass er immer wieder tiefe Schneelöcher einkrachte. Seine sonst so gute Laune verpuffte endgültig, als er zum dritten Mal bis zur Brust im weißen Pulver einsank.
"Und das ausgerechnet heute", grummelte Kram durch seinen vereisten Bart hindurch. "Dieser neue Sternkundige aus Tulgor las dunkle Tage aus seinen Himmelskarten. Wir sollten bald zur Rietburg aufbrechen, wenn wir das Adventsfest noch miterleben wollen."
"Och, mich würde es jetzt nicht allzu stören, König Thoralds neuste langatmige Rede zu verpassen", sagte Aćh. "Die anderen Helden wiedersehen und Flaps streicheln würde ich aber schon gerne."
"Doch ist dies hier nun unsere Aufgabe", sprach Chada bestimmt. "Wir können dem südlichen Wald nicht einfach den Rücken kehren, solange ein unbekannter Schrecken hier lauert."
"Und ohnehin", sagte Kheela versöhnlich, "Wollen wir etwa Fenn erzählen gehen, neben seiner Höhle lauerte eine unbekannte Gefahr, und wir wären einfach unverrichteter Dinge abgezogen? Da stehen wir nicht als gute Freunde da."
Da wollte niemand etwas entgegnen. Noch enger in ihre dicken Wintermäntel eingehüllt, zogen die vier Helden weiter durch die weiße Wunderwelt. Aćh dachte an ihre Mutter Nelímar, die ihr gut zusprechen würde, wenn sie hier wäre. Chada wünschte sich, sie könnte ihren treuen und warmen Zauberwolf Lonas kuscheln. Kheela dachte an ihren Sohn Janis, der hoffentlich gerade in seinem warmen Bett im Hof auf der anderen Flussseite vor sich hin schnarchte. Kram schwelgte in Erinnerungen an den legendären Eintopf seiner Großfamilie. Sein Magen knurrte entsprechend.
"Mir knurrt auch langsam der Magen", gab Kheela zu, "Was würde ich nicht alles für eine warme Suppe geben."
"Mit Blaubachbeeren!", sagte Chada schwärmerisch, "Kombiniert mit den legendären grünen Blättern des Westerwaldes lassen die jedem Gericht eine feine Note verleihen."
"Eure Träume in allen Ehren", meinte Kram, auf einmal flüsternd, "Aber bin ich der einzige, der diesen Gestank riecht? Hinter dieser Schneewehe da vorne ist etwas. Bei den versengten Augenbrauen des Wunderkinds, ich kann den Geruch kaum aushalten!"
Mit seiner Axt schaufelte er mehr Schnee zur Seite, doch die Schneewehe wurde kaum kleiner
"Warte, lass mich. Oder besser gesagt, lass Turr", sagte Aćh. Sie zog aus ihrem Wintermantel eine grob gehauene steinerne Flöte hervor und spielte eine leise fröhliche Melodie. Nicht eine Minute später stieß mit einem klangvollen Schrei ein golden glühender Feuervogel durch die dunklen Wolken und krallte sich in Aćhs Schulter.
"Tja, damit ist das Überraschungsmoment dahin. Turr! Haamun Meza.", kommandiere Aćh, und deutete nach vorne. Mit einem melodischen Kreischen hüpfte der Feuertakuri auf Aćhs Haarschopf – die Takuri-Hüterin ächzte nur leicht unter seinen Krallen – breitete seine Flügel gebieterisch aus und begann, immer stärker zu leuchten. Flirrende Hitze umfasste den Schneehaufen. Unter der Wärme des Feuervogels schmolz er dahin wie Eis im Licht der Morgensonne und gab den Blick frei auf den Ursprung des Gestanks, einen großen schattigen Schemen.
Sie hatten ihr Ziel erreicht.
Vor ihnen wurde ein Bild der Zerstörung deutlich.
Der Schemen stellte sich als glitzernde Holzkutsche heraus, größer als der tollste Troll. Allerdings glich sie aktuell mehr einem Wrack an einer der unzähligen Klippen des Hadrischen Meeres, wie sie verkehrt herum im Boden steckte.
Im aufgewühlten Schnee, umgeben von roten Blutflecken, erkannte Kheela das verlorene Schwert des verletzten Andori. Schwer lag es in ihrer Hand, als sie sich die schartige Waffe an den eigenen Gürtel steckte. Die Handhabung solcher Klingen war nicht ihre Stärke, als Hüterin der Flusslande hatte sie oft repräsentativere Aufgaben. Sollte sie ihren Wassergeist Vara rufen oder damit abwarten, bis ihre Gegenwart wirklich nötig war? Sie umklammerte ihren danwarischen Stab fester und richtete ihren Blick auf das große Gefährt vor ihr.
Es war einst sicherlich eine elegante Kutsche gewesen, nun jedoch stand sie kopfüber in ihren eigenen Einzelteilen. Davor lagen zwei tote Wardraks, zweifelsohne die Urheber des Gestanks. Wenn das Licht des roten Mondes die Heldenaugen nicht täuschten, waren die Echsennasen dieser Wardraks nicht wie üblich schwarz, sondern knallrot. Schwere Ketten befestigten die animalischen Kreaturen mit dem Karren. Tiefe Furchen zogen sich durch ihre Flanken, als hätte ein Wesen mit großen Klauen sie angefallen. Furchen, wie sie der Andori aus der Taverne an der Schulter gehabt hatte. Schwarzer Rauch stieg von den Wunden auf und waberte wie dunkle Schatten um den Ort des Geschehens.
Seltsam war auch, dass es keine Fußspuren oder Kufenspuren im Schnee um die Kutsche gab, die zeigen würden, woher sie gekommen war. Hingegen waren zahlreiche Äste an nahe liegenden Bäumen abgeknickt, als wäre der Karren durch sie direkt vom Himmel gefallen.
Unter, hinter und neben der abgestürzten Kutsche war ein wahrer Berg an Geschenken verstreut. Einige waren noch in Pergament in allen Regenbogenfarben verpackt und mit schönen Schleifen verschnürt, doch die meisten waren angeknickt, plattgedrückt oder gar völlig zerfetzt. Da lagen tropfende Trinkschläuche, zerbrochene Fernrohre, gar ein Falke mit angeknackstem Flügel, neben dem sich Turr sofort beruhigend setzte.
Und neben dem Karren, sicher in einem großen Schneehaufen gelandet, steckte ein weiterer Gor und atmete schwach. Kein Nachtgor war dies, wie an seiner rötlichen Schuppenfarbe erkennbar war. Zudem trug dieser Gor trug nicht nur die losen Lendenschurze, die von diesen Kreaturen auf im Winter zu erwarten war. Nein, dieser Gor war in einen eleganten roten Mantel gekleidet, und auf seinem Kopf trohnte eine lange Zipfelmütze mit einem weißen Bommel.
Chada blinzelte überrascht. "Ist das nicht ... ? Nein, das kann nicht sein, ich dachte stets, er wäre bloß eine Legende, die die Hohepriester von Mutter Natur erzählen, um den Nachwuchs brav zu lassen."
Kheela legte ihren Kopf schief. "Liebe Chada, haben wir in den letzten Jahren nicht zu oft erfahren, dass alle Legenden einen wahren Kern haben? Der Schwarze Herold, der letzte Drache, die Eis-Dämonen aus dem Fahlen Gebirge ... warum auch nicht der Santa Gor?"
Aćh, welche im fernen Land Tulgor aufgewachsen war und in ihrer Zeit hier noch lange nicht alle Sagen Andors vernommen hatte, fragte ein nervös: "Wer oder was ist der Santa Gor?"
Kram holte tief Luft und setzte an: "Die Geschichte vom Santa Gor erzählt mein guter Freund Mart immer gerne zum längsten Dunkeltag, wenn der Winter bevorsteht. Es geht darin um den guten Geist der ..."
Da regte sich die Kreatur mit der Zipfelmütze, richtete sich auf, klopfte sich den gröbsten Schnee vom langen weißen Bart und krächzte in akzentfreiem Andorisch: "Jawohl, ich bin der Santa Gor, o Helden von Andor. Und wie ich befüchte, benötigen ich und meine Nachtgor-Helferlein dringend Eure Hilfe."
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Re: Tavernenprojekt: Adventsgeschichte „Im Schatten des Wint

Beitragvon Qurunatobra213 » 12. Dezember 2024, 16:03

„Was ist denn Passiert?“, fragte Chada, worauf hin Santa wie folgt antwortete: „Dunkle Schatten haben uns Angegriffen. Sie haben die Zugwardracks getötet und meine Nachtgor Helferlein vertrieben. Kennt ihr einen sicheren Ort hier in der Nähe, wo ihr mich hin bringen könnt?“ Kheela fragte die Helden: „Was haltet ihr davon, ihn in Fenns Höhle zu bringen?“

Irgendwo erwachte Santa Gor. Er war in absoluter Finsternis. Er erinnerte sich noch an den Überfall: haufenweise Nachtgors angeführt von einem großen Gor hatten den Schlitten gestohlen, mehr wusste er nicht mehr. Er stand auf und tastete sich durch den Raum bis er eine Wand erreichte, dann ging er an ihr entlang. Er bog zweimal um die Ecke und sah Licht hinter einem Vergitterten Fenster. Er sah an sich herab und bemerkte, dass seine Santa Gor Kleidung weg war.

Ein Geräusche Schreckte Kder Hrglimpf (Rüstung Meiselfaust in unserer Sprache) auf. Der Häuptling der Nachtgors drehte sich um und sah den Gerade erschienen Dunklen Magier Vakur. „Hallo Varkur, wie lief der Diebstahl? Wie haben sich meine Gors gemacht?“, frage Kder Hrglimpf. Vakur antwortete kühl: „Der Überfall auf den Santagor war erfolgreich. Das lag aber nicht an deinen Nachtgors sondern ein meinem Falschen Santa Gor, der den Echten Ohnmächtig gehauen hat. Zumindest haben sie es geschafft ihn winters Gitter zu tragen. Mein Santa ist dann mit einigen von ihnen los geflogen, doch als ein seltsames Geflügeltes Wesen mit einer gestalt aus Schatten kam, sind die meisten einfach vom Schlitten Gesprungen. Die Gestalt schrie schrecklich und dann kaman acht weitere von ihnen. Sie verletzten die Zugwardracks und der Schlitten stürzte ab. Als ich merkte, dass die Helden kamen, habe ich mit meinem Santa einen Neuen Plan geschmiedet und mich dann versteckt.“
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Re: Tavernenprojekt: Adventsgeschichte „Im Schatten des Wint

Beitragvon Mivo » 18. Dezember 2024, 10:58

"Seit wann hat Fenn denn Gitter vor seiner Höhle?", fragte Kheela und lugte durch die Gitterstäbe ins Dunkel. "Sicher, dass das die richtige Höhle ist?", fragte Thorn, während er mit seinem Blick die nähere Umgebung absuchte.

"Still, da bewegt sich was in der Höhle!", flüsterte Kram, "da kommt etwas, nein, jemand auf uns zu!" Die Helden eilten zum Höhleneingang und sahen, wie eine Gestalt von der anderen Seite auf sie zugehumpelt kam. "Fenn, bist du das?", riefen die Helden, gefolgt von einem "Ah, du bist es wirklich!", als die Gestalt das Gitter erreichte und die Helden nun ebenfalls durch das Gitter musterte.

"Hast du Angst vor Strauchdieben?", fragte Thorn? "Und warum hast du nichts an?" Chada und Kheela kicherten. In der Tat war Fenn, bis auf sein Untergewand, nackt.

"Ich habe das Gitter da nicht hingemacht", murrte er und hielt sich den Schädel. "Irgendjemand muss es hergezaubert haben, nachdem mich ein ungewöhnlich großer Gor k. o. geschlagen hat. Meine Kleidung, inklusive Kostüm, haben sie auch mitgenommen. Und wie der zugeschlagen hat ... Als ich zu mir kam, konnte ich mich kaum daran erinnern, wer ich bin." "Kostüm?", hakte einer der Helden nach. "Ich verkleide mich doch jedes Jahr für ein paar Bauernfamilien in der Umgebung als Santa Gor", erklärte Fenn. "Die Kinder sind immer ganz aus dem Häuschen, wenn sie mich sehen. In diesen harten Zeiten ist das doch das Mindeste, was ich für sie tun kann."

"Das wusste ich ja noch gar nicht, wie lieb von dir!", meldete sich Kram. "Aber stell dir vor: Wir haben den echten Santa Gor gefunden und er braucht unsere Hilfe, um seine Geschenke zu verteilen."

Fenn blickte mit ungläubigen Augen in die Runde. Dann fasste er sich wieder: "Seid ihr von Sinnen? Es gibt keinen 'echten' Santa Gor, ihr wurdet aufs Kreuz gelegt! Und die Geschenke, die ihr austeilen sollt, sind vermutlich die, die mir gestohlen wurden. Das ist bestimmt wieder irgendeine List von Varkur ist das wieder!" Dabei überschlugen sich seine Worte vor Wut.

"Doch, doch", beschwichtigte Thorn und deutete hinter sich. "Er steht direkt hier." Als die Helden sich umdrehten, war weit und breit kein Gor zu sehen. Nur ein frisches Paar kaum erkennbarer Fußspuren führte in den dichten Wald. "Sieht so aus, als wäre euer Weggefährte getürmt, bevor er auffliegt", sprach Fenn nun etwas ruhiger. "Aber zu eurem Glück steht der begabteste Fährtenleser Andors vor euch. Wenn ihr nun endlich die Güte hättet, ihn zu befreien und ihm etwas zum Anziehen zu geben, wird er euch sicher dabei helfen, diesen falschen Santa Gor aufzuspüren."

Kurze Zeit später hatte Eara das Gitter aufgesprengt, Thorn hatte Fenn sein Messer überlassen und die Helden und Heldinnen hatten ein paar ihrer Kleidungsstücke an Fenn abgetreten. Fenn wollte gerade damit beginnen, die Spuren zu untersuchen, als Morar angeflattert kam und sich neben Fenn im Schnee niederließ. In den Krallen hielt er Fenns Horn. "Gut gemacht", lobte Fenn seinen Raben und nahm das Horn an sich. Alsgleich nahm er die Fährte des geflüchteten Gors auf.

Dank der Fähigkeiten des Fährtenlesers kam die Gruppe zügig voran. Die Spuren führten zunächst zu der Absturzstelle des Schlittens zurück, doch bis auf die aufgewühlten Spuren im Schnee waren sowohl der Schlitten, als auch die Kadaver der Zugwardraks als auch die Geschenke verschwunden. Nur einen eingeschneiten Bogen konnte Thorn noch ausgraben. Chada warf ihm einen verstohlenen Blick zu, als Thorn prüfend einen Pfeil einlegte. Mit genügend Vorbereitung war sie die bessere Bogenschützin, ja, aber wenn Thorn nicht gerade eine überstundenreiche Nacht hinter sich hatte, war er ihr mindestens ebenbürtig. (Hätte sie ihm vorhin nur mal nicht den Brunnen überlassen ...)

Fenn führte die Gruppe weiter, tiefer und tiefer in den Wald hinein, bis sie sich schließlich in den hügeligen Ausläufern des Kuolema-Gebirges wiederfanden. Als sie gerade eine Anhöhe erklommen hatten, gab Fenn das Zeichen zum Anhalten und duckte sich auf den Boden. Vorsichtig robbten er und seine Mitstreiter vorwärts und spähten über den Rand der Anhöhe auf die Lichtung im Tal vor ihnen.

Nach der stundenlangen Stille im Wald kam das Spektakel, das sich vor ihnen bot, fast schon surreal daher: Gut zwei Dutzend Nachtgors wuselten dort umher, packten Gegenstände von einer großen Ausrüstungstafel in Geschenkpapier ein, trugen sie zu dem wiederaufgestellten Schlitten und verstauten alles auf einer Ladefläche, deren Ladekapazität nicht den Regeln der Naturgesetze zu folgen schien. Vor dem Schlitten waren schon die Zugwardraks angebunden, deren Fleisch an einigen Stellen aufgerissen war, sodass die darunterliegenden Knochen zum Vorschein kamen. "Krahder-Magie" -- Kram spuckte das Wort geradezu in den Schnee. "Seht nur!", flüsterte Eara und deutete auf die Mitte der Lichtung. Dort stand Varkur, die Hände in den Hüften, und überwachte das geschäftige Treiben. An seine Seite eilte soeben der große Gor mit dem ikonischen roten Mantel und der Zipfelmütze und deutete aufgeregt in die ungefähre Richtung der Helden. Als Varkur den Kopf drehte, duckten sie sich hastig weg.

"Hat er uns gesehen?", wisperte Kheela, während Chada und Thorn bereits ihre Bögen spannten. "Was sollen wir tun?"
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Re: Tavernenprojekt: Adventsgeschichte „Im Schatten des Wint

Beitragvon TroII » 24. Dezember 2024, 21:26

„Kder Hrglimpf!“, scholl Varkurs tiefe Stimme bis ans Versteck der Helden. „Wir bekommen bald ungebetene Besucher. Haltet sie auf, bis die Vorbereitungen abgeschlossen sind.“
Die Nachtgors setzten sich in Bewegung, geradewegs auf das Versteck der Helden zu. Chada und Thorn legten schon Pfeile an, doch Aćh schüttelte hastig mit dem Kopf. „Wartet, ich habe eine bessere Idee!“ Sie flüsterte dem merklich geschrumpften glühenden Vogel auf ihrer Schulter einen Befehl zu, und Turr erhob sich müde flatternd in die Lüfte. Mit einem schrillen Kreischen verschwand er zwischen den Bäumen, einen hell leuchtenden Streif hinter sich her ziehend. Die Nachtgors rannten hinterher, schnurstracks an den Helden vorbei.
Einen Moment lang warteten die Helden in ihrem Versteck, bis die stampfenden Schritte leiser wurden. Auf der Lichtung wurden soeben vom großen Gor mit der Zipfelmütze die letzten Gegenstände von der Ausrüstungstafel auf den Schlitten gepackt. „Beeilung!“, schimpfte Varkur. Die Helden sahen sich an, nickten kurz und sprangen auf. Gerade noch rechtzeitig gelang es Varkur, die beiden Pfeile, die auf seinen Kopf zuflogen, mit einer Windböe beiseitezuwischen. Fenn, der soeben Schwert und Horn hob, wurde von einer Wolke aus schwarzen Schlieren umwoben. Aćh, Kheela und Kram wurden vom falschen Santa Gor aufgehalten, nur Eara gelangte bis zum Schlitten und der Ausrüstungstafel. Sorgsam darauf bedacht, den untoten Wardraks nicht zu nahe zu kommen, stellte sie sich Varkur entgegen - oder vielmehr, sie versuchte es, denn der Dunkle Magier hatte anscheinend keine Lust auf ein magisches Duell. Er war auf den Schlitten gesprungen und murmelte zwei Worte in althadrischer Sprache, woraufhin die Wardraks sich mechanisch in Bewegung setzten. Eara versuchte noch, hinter dem Schlitten herzurennen, doch rutschte im Schnee aus. Als sie sich wieder aufgerappelt hatte, beobachtete sie ungläubig, wie der Schlitten sanft in die Luft glitt und allmählich an Höhe gewann. Die Wardraks rannten einfach durch die Luft und zogen das Gefährt hinter sich her. „Santa, zu mir!“, schrie Varkur und der große Gor in Zipfelmütze ließ von seinen drei Kontrahenten ab und landete mit einem gewaltigen Satz auf dem Schlitten, just bevor er endgültig außer Reichweite war.
„Und die Nachtgors?“, konnte man ihn noch fragen hören.
„Haben ihre Nüzlichkeit überschritten“, antwortete Varkur kalt. „Nichts wie weg!“
Von Chada und Thorn flog dem Schlitten noch ein Pfeil hinterher, von Kram ein unfreundlicher zwergischer Fluch und von Fenn sein Rabe, der jedoch von einer weiteren unheimlichen Windböe wieder aus der Luft gepustet wurde, dann verschwand Varkurs Schlitten mit einem bösartigen „Muhahahahaa!“ hinter dem nächsten Hügel.
„Verdammt!“, zischte Thorn und ließ seinen Bogen sinken. „Wir müssen hinterher, sofort!“
Doch Chada schüttelte besorgt den Kopf und deutete zwischen die Bäume. „Das könnte sich als schwerig erweisen...“
Die Nachtgors waren zurück und hatten die Helden umzingelt. In ihren weißen Augen glomm Zorn. Der größte von ihnen trat vor, zwischen seinen Hornklauen klemmte ein arg zerrupft aussehender Takuri.
„Varkur ist weg!“, knurrte er. „Und er hat unere Geschenke mitgenommen!“
Die Nachtgors keiften erbost.
„Genau genommen waren das nicht eure...“, begann Fenn, aber wurde eilig von Chada unterbrochen: „Verehrte ... ääh ... Nachtgors. Wir haben einen gemeinsamen Feind. Vielleicht können wir ... zusammen ... arbeiten?“
„Mit Nachtgors kann man nicht zusammenarbeiten!“, flüsterte Eara.
Doch der Gor-Anführer zögerte. „Gut“, meinte er und ließ den kleinen Takuri frei, der eiligst zurück zur Schulter seiner Hüterin flog. „Aber die Geschenke gehören uns! Ihr seid diese Helden, von denen Varkur erzählt hat, ja? Ich bin Kder Hrglimpf, Häuptling der Nachtgors.“
„Na schön, einverstanden...“, erwiderte Fenn gequält. Wo sollte er jetzt bloß neue Geschenke für die Bauernkinder auftreiben? Aber was auch immer Varkur vorhatte ging vor, da war er sich sicher. Apropos - was hatte er eigentlich vor? „Kennt ihr Varkurs Pläne?“
Kder Hrglimpf nickte. „Sein Santa Gor verteilt Geschenke!“
Die Helden wechselten einige ungläubige Blicke. Das klang nicht gerade nach Varkur.
„Und wenn alle ihm vertrauen, dann schenkt er irgendeinem König den allerschönsten Kuchen. Und wenn der König den isst, dann verwandelt er sich in eine Kuh. Und dann lacht Varkur. Und dann holt er die Geschenke wieder und gibt sie uns, weil wir ihm so gut geholfen haben.“
Die Helden wechselten einige besorgte Blicke. „Wir müssen sofort zur Rietburg, sonst wird König Thorald noch mehr zum Hornochsen.“, meinte Thorn resigniert. „Aber wir sind nicht schneller als dieser Schlitten...“
„Kein Problem!“ Kder Hrglimpf kicherte. „Santa Gor hat uns ein Portal geschenkt. Damit sind wir in euer Land gereist. Damit können wir auch zu diesem König reisen. Wir müssen nur zurück in den Wald, wo das Portal ist.“
„Santa Gor hat euch ein Portal geschenkt?“, wiederholte Kheela skeptisch.
Kder Hrglimpf nickte. „Letztes Jahr kam Santa Gor und hat uns Geschenke gebracht. Und er meinte, im Jahr drauf müssen wir uns unsere Geschenke selber abholen. Dafür hat er uns ein Portal geschenkt, dass nur heute Nacht geht.“
„Ihr ... wisst aber schon, dass dieser angebliche Santa Gor von Varkur geschickt wurde, damit ihr ihm bei seinem Plan helft, oder?“
Kder Hrglimpf zischte erbost. „Santa Gor hat uns Geschenke versprochen! Wir bekommen Geschenke!“
Kheela schluckte. „Ja, sicher! Was soll´s. Gehen wir zu diesem Portal...“

Die Nachtgors und Helden stapften durch den winterlichen Wald. Beide Gruppen hielten etwas vorsichtigen Abstand zueinenader und unterhielten sich gedämpft. „Warte, du hast zwei Wardraks vor deinen Schlitten gespannt?“, fragte soeben Thorn entgeistert.
„Und du hast ihnen ... rote Nasen gemalt?“, ergänzte Kram.
„Aber keine lebendigen Wardraks!“, verteidigte sich Fenn. „Irgendwelche Krahderexperimente oder so. Anders kann ich mir nicht erklären, weshalb sie immer in der Mittwinternacht zu fliegen beginnen. Aber ich versichere euch, sie sind lammfromm. Ich habe sie lange trainiert, damit sie gut auf meine Hornsignale hören!“
„Du hast zwei untote, fliegende Wardraks gefunden, sie mit viel Aufwand trainiert, und jetzt lässt du sie das ganze Jahr irgendwo im Südlichen Wald herumstehen, wo sie irgendwelchen Wanderern ein unbekannten Schrecken einjagen, nur um sie einmal im Jahr vor deinen Schlitten zu spannen und als Santa Gor verkleidet Geschenke an irgendwelche Kinder zu verteilen?“, mischte sich Chada ein.
„Alles für die lieben Kleinen!“, grinste Fenn. „Außerdem bewachen sie so diese merkwürdige Ausrüstungstafel, die ich gefunden habe!“ Der angeknackste Rabe auf seiner Schulter krächzte erbost. Fenn räusperte sich und korrigierte: „Die Morar gefunden hat, meine ich natürlich.“
„Und du hast ihnen ... rote Nasen gemalt?“, fragte Kram nochmals.
„Klar, nach der Geschichte vom Santa Gor. Er fliegt über´s Land, in seinem magischen Schlitten, gezogen von gehörnten schwarzen Wesen mit roten Nasen, und ...“
„Pah, du kennst die Geschichte nicht richtig!“, murrte Kram. „Nicht gehörnt, sondern geweiht. Und sie haben nicht rote Nasen, sondern rote Augen! Wenn Mart dich hören würde...“
„Nein, ich bin mir sicher, dass es roten Nasen...“
Dankenswerterweise wurde der Streit von Kder Hrglimpf unterbrochen. „Wir sind da!“ Und tatsächlich, knapp über dem Waldboden schwebte etwas, das aussah wie ein sich langsam drehender Strudel aus blauem Licht.
„Das sieht genau aus wie eines der hadrischen Portale...“, meinte Eara nachdenklich. „Aber die schließen sich nach der Benutzung, und sie erfordern ein Gegenstück auf der anderen Seite. Wirklich erstaunlich, was Varkur da geschaffen hat. Wie genau wählen wir den Ort...?“
„Ganz fest dran denken!“ Mit diesen Worten schubste Kder Hrglimpf die arme Eara durch das Portal und sprang dann mit einem munteren „Huuiiiiiiiiiiiiiii“ selbst hinterher. Die übrigen Nachtgors drängelten und purzelten, bis auch sie im blauen Licht verschwunden waren. Die Helden (bis auf Eara) seufzten und traten zuletzt ebenfalls hindurch.

Eara würgte und versuchte, ihren Mageninhalt bei sich zu behalten. Sie hätte dieses Trinkspiel vorhin doch nicht mitspielen sollen! Hinter ihr purzelten die Gors durch das Portal. Ihnen schien diese ... schwindelerregende Rutschpartie ... nichts auszumachen. Vielleicht vertrugen Gors diese Portale besser.
Vor Eara lag die verschneite Rietburg. Behaglicher Feuerschein drang aus den Fenstern und fröhlicher Gesang klang ihr entgegen. Und vor dem Burgtor, auf einem kleinen Hügel neben dem in friedlichem Orange brennenden Ewigen Feuer, stand ein leerer Schlitten an zwei untoten Wardraks mit roten Nasen. Mit lauten „Geschenke, Geschenke!“-Rufen stürmten die Nachtgors zum Schlitten, während auch die übrigen Helden mit blassen Gesichtern und grünen Nasen aus dem Portal stolperten.
„Sind wir zu spät?“, würgte Thorn hervor. „Wo sind Varkur und der falsche Santa Gor?“
Wie auf´s Stichwort sprang eine Gestalt hinter dem Schlitten hervor und hob ihren dunklen Stab. Fäden aus Schatten warfen sich den Nachtgors entgegen und hinderten sie daran, sich dem Schlitten zu nähern.
„Santa Gor ist nicht zu sehen.“, stellte Chada besorgt fest. „Wir müssen sofort zu König Thorald, bevor er den Kuchen isst!“
„Ich bleibe hier und kümmere mich um Varkur.“, meinte Eara. Kheela, Fenn und Kram nickten zustimmend und griffen ihre Waffen fester.
Chada nickte. „Gut, dann los! Thorn, Aćh, mit mir!“ Und damit rannten die drei zum Burgtor, während die übrigen vier sich Varkur zuwandten...

Kram rannte, so schnell ihn seine kurzen Beine trugen. Wo immer sich ihm Fäden von Varkurs Dunkler Magie in den Weg stellten, zerteilte er sie mit seiner Axt. Gut, vielleicht hatte der Zauber, den Eara auf seine Axt gesprochen hatte, auch etwas damit zu tun. Jedenfalls kam er im Gegensatz zu den Nachtgors an der Dunklen Magie vorbei. Eara rannte hinter ihm, Fenn und Kheela waren zurückgeblieben. „Lenk ihn eine Weile ab!“, flüsterte Eara, dann rannte sie zu den beiden untoten Wardraks, während Kram unbeirrt auf Varkur zustapfte, der noch immer seinen Stab schwang und dabei eine finstere Formel formulierte. Kurz bevor Kram ihn erreicht hatte, sprach Varkur die letzte Silbe und Dunkelheit stieg auf, schoss auf Eara zu, die soeben an einem der untoten Wardraks kniete. Mit roten NASEN! Unfassbar. „Und es waren doch die Augen!“, dachte Kram und warf sich dazwischen. Finsternis legte sich um ihn, die er auch mit seiner verzauberten Axt nicht durchtrennen konnte. Und dann war da nur noch SCHMERZ.

Kheela atmete erleichtert aus, als endlich das schwache Licht auf ihrem Stab aufflammte. Wie ein Regenbogen hing dort ein kleiner Wasserfall in der kalten Luft. „Vara“, sagte sie leise, „weißt du noch, was wir vor ein paar Tagen für Janis gemacht haben? Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt für eine zweite Runde...“
Der Wassergeist setzte sich in Bewegung, auch wenn sie undeutlich ein Gefühl von Missbilligung wahrnehmen konnte. Besorgt beobachtete Kheela, wie Varkur den armen Kram in einem Nebel aus Dunkler Magie einfing. Undeutlich konnte sie erkennen, wie Eara zum zweiten Wardrak eilte, während Varkur erneut seinen Stab schwenkte. Dann war Vara angekommen und legte sich auf den Hügel. Ihre Gestalt wuchs, nahm eine lange, geschwungene Form an, deren Ende bis zu Varkurs Füßen reichte, und erstarrtte dann mehr und mehr. „Nimm das, Eara!“, lachte Varkur und hob seinen Stab. „MuhahahaaaaAAAAHHH!“ Plötzlich glitt er auf dem Eis aus, fiel auf seinen Hintern und schlitterte die ganze lange Eisrutsche nach unten, bis er mit einem leisen Wumms! in einer Schneewehe am Ende der Rutsche landete. Kheela konnte nicht anders, als herzhaft zu lachen.

Eara hörte ein hämisches Lachen - oder war das ein überraschter Schrei? - von immer weiter weg, aber sie war zu sehr auf ihre Aufgabe konzentriert, um dem große Beachtung zu schenken. Sie strich dem zweiten Wardrak über die leicht verwesende Stirn und sprach die letzten Silben. Schatten stiegen von dem untoten Körper auf und verblassten in der Winterluft. Ein mulmiges Gefühl blieb zurück. Sie vertraute weder Untoten noch Wardraks, und irgendwie auch keinen untoten Wardraks. Aber sie vertraute Fenn. Sie drehte sich um. „Ich bin fertig!“

Fenn sah, wie Varkur seinen hässlichen Kopf aus der Schneewehe am Ende der Rutschbahn steckte, als er endlich Earas Ruf hörte. Er setzte sein Horn an die Lippen und begann zu pusten. „Na wartet!“, brüllte Varkur wutentbrannt. „Ich werde euch alle ... He, weg da, ihr blöden Nachtgors!“ Mit einer ausladenden Geste fegte Varkur die Nachtgors beiseite, die sich fast auf ihn gestürzt hatten. Fenn war erstaunt, dass er tatsächlich Mitleid mit den armen Kreaturen hatte, aber der Schnee fing sie weich auf. Varkur stand mühsam auf und schüttelte sich den Schnee aus der Robe. „Ich werde euch alle ...“ Der Magier erstarrte und drehte sich überrascht um, als auch er das Dröhnen der Eisbrücke nicht mehr überhören konnte - und blickte direkt in die untoten Augen von den beiden braven Wardraks, die seinem Hornsignal folgten und zusammen mit ihrem Schlitten in einem Mordstempo die Rutsche herunterfuhren. Mit einem diesmal deutlich lauteren Wumms! landete Varkur erneut in der Schneewehe. Die Schattenfäden, welche Kram und die Nachtgors aufgehalten hatten, lösten sich auf. Fenn setzte sein Horn ab und der Schlitten rutschte noch ein Stück weiter und blieb dann stehen.
Neugierig traten Fenn und die anderen Helden zu Varkurs Kopf, der soeben zum zweiten Mal aus der Schneewehe auftauchte, diesmal mit einem reichlich verwirrten Ausdruck und einer dicken Beule auf dem Kopf. Der Dunkle Magier blinzelte die Helden an und krächzte schwach: „Ihr denkt, ich hätte diesen Kampf verloren, nicht wahr? Aber nein, ihr Narren. Ich habe mit doppeltem Einsatz gespielt! Denn während ihr ...“
„Um den falschen Santa Gor mit dem vergifteten Kuchen kümmern sich jetzt gerade Chada, Thorn und Aćh.“, stellte Eara nüchtern fest. „Wirklich, an deinen Ablenkungen musst du echt noch arbeiten.“
Varkurs Gesicht verzerrte sich vor Hass. „Eine Tages kriege ich euch! Und dann werde ICH zuletzt lachen! Muhahahahaaaa!“ Mit diesen Worten löste sich Varkur in eine Wolke von Schatten auf.
„Hoffen wir nur, dass die drei noch rechtzeitig kamen...“, meinte Kheela besorgt.

Chada stürzte keuchend in den Thronsaal - gerade rechtzeitig um zu sehen, wie König Thorald laut rülpsend eine abgeleckte Gabel auf seinen Teller legte und sich genüsslich die Lippen leckte. „Thorald!“, schrie sie und zog damit die Blicke sämtlicher Feiernder in der Halle auf sich. „Was hast du da gerade gegessen?“
Thorald runzelte die Stirn. „Einen Kuchen, den mir der Santa Gor gebracht hat. Stell dir das nur vor, Chada! Der Santa Gor! Der echte Santa Gor! Hier, da ist er. He, Santa Gor, meinst du wir haben noch Kuchen für unseren atemlosen Gast?“
Und tatsächlich trat da der große Gor, den Varkur als Santa Gor verkleidet hatte, unter lautem Jubel der Anwesenden neben den König und verkündete: „Nur der allerschönste Kuchen für den König. Direkt vom Santa Gor! Aber ich habe noch andere Kuchen. Die sind nur leider nicht ganz so schön. Willst du den zweitschönsten Kuchen?“ Santa Gor kramte in einem großen Sack und holte einen - in der Tat sehr schönen - Kuchen heraus.
Chada ignorierte die Frage und warnte eindringlich: „Dieser Kuchen kam von Varkur und war vergiftet! Holt sofort Reka!“
„Nein, nein, der Kuchen war nicht von Varkur, sondern von Santa Gor!“, beharrte Santa Gor grinsend. „Ich mag Geschenke! Ich verschenke gerne ...“ Weiter kam er nicht, weil Thorn sich auf ihn stürzte und die beiden am Boden rangelten. Der zweitschönste Kuchen fiel zu Boden und zerplatzte.
„Aber Thorn, lass doch den armen Santa Gor in Ruhe. Es war ein wirklich guter Kuchen, und ich ...“
Zum Glück kam da ein Wächter herbei und berichtete eilig, dass der Dunkle Magier Varkur und eine Armee aus schwarzen Gors vor dem Burgtor aufgetaucht waren. Die Adventsfeier kam zum Erliegen und Thorald machte große Augen. Chada eilte zum König. „Thorald, wie geht es dir? Fühlst du dich gut? Fühlst du dich wie ... eine Kuh?“
Die letzte Frage brachte den jungen König anscheinend so sehr aus dem Konzept, dass er aus seiner Schockstarre entkam. „Ähm ... Chada, wie redest du mit mir?! Ich ... fühle mich ... nur ein bisschen ... überfressen...“

Thorn rang den Santa Gor endgültig zu Boden. Aćh half ihm, den großen Gor festzuhalten. Varkurs Magie hatte ihn gestärkt, doch zu zweit konnten sie ihn halten, bis auch einige der Feiernden sich ein Herz fassten und ihnen zu Hilfe kamen. „Ich mag Geschenke. Ich verschenke gerne Sachen. Als nächstes muss ich meinen Nachtgor-Helferlein ihre Geschenke schenken.“, murmelte der falsche Santa Gor traurig vor sich hin. Thorn vergewisserte sich, dass der Gor nicht entkommen würde und sah nochmal zu Thorald. Der saß auf seinem Thron und sah immer noch nicht wie eine Kuh aus. Eine Weile beobachtete Thorn ihn atemlos, doch Thorald veränderte sich nicht. Irgendwann kam noch ein Wächter und meinte, Varkur sei von einem Schlitten überfahren worden und die Armee aus dunkle Gors greife nicht die Burg an, sondern sei mit einer großen Eisrutsche beschäftigt. Damit kam die Feier wieder in Gang. Und als schließlich auch noch endlich Reka herangeholt wurde und ebenfalls bestätigte, dass dem König keine Gefahr drohte, schüttelte Thorn nur noch verwirrt den Kopf. Vielleicht hatte Varkur bei seinem Rezept einen Fehler gemacht? Oder ... Thorald war innerlich schon so sehr eine Kuh, dass der Kuchen keine Wirkung mehr hatte? Jedenfalls ging er schließlich zusammen mit Chada, Aćh und dem falschen Santa Gor zurück zu seinen Freunden.

„Haamun Meza.“, sagte Aćh. Der arme, erschöpfte Turr machte sich so groß, wie er gerade noch konnte, und begann langsam damit, die Eisrutsche wieder zu schmelzen. Aćh hätte schwören können, dass sie da vorne im Eis ein sehr unzufrieden aussehendes Gesicht entdeckt hatte, aber bevor sie es genauer begutachten konnte, hatte Turr es zu Wasser aufgelöst.
Die Nachtgors sahen traurig zu, wie ihr liebstes Spielgerät dahinschmolz. Doch sie konnten sich gut mit ihren neuen Geschenken vergnügen. Auch wenn Thorald augenscheinlich nichts passiert war, hatten die Gerüchte darüber, dass die Geschenke von Varkur kamen, so manche Andori dazu gebracht, sie vorsichtshalber wieder zurückzubringen - es waren zwar nicht alle, aber wenigstens genug, dass jeder der Nachtgors eines haben konnte, was den Kreaturen zu reichen schien.
Kder Hrglimpf trat zu den Helden und sprach feierlich: „Die Nacht ist bald um, und dann geht das Portal für ein Jahr kaputt. Wir müssen jetzt zurück. Danke, dass ihr uns geholfen habt, unsere Geschenke zu holen. Wir nehmen auch den Santa Gor mit, ja? Er hat gesagt, er will bei uns wohnen und uns nächstes Jahr wieder beschenken.“
„Ich mag Geschenke. Ich verschenke gerne Sachen.“, ergänzte der gefesselte Gor.
Aćh wechselte kurz einen Blick mit den anderen Helden und dann stimmten sie alle zu. Wenn die Nachtgors den falschen Santa Gor bei sich aufnehmen wollten, war ihnen das nur recht.
So sprangen die Nachtgors und der falsche Santa Gor schon kurz darauf mit einem lustigen „Huuiiiiiiiiiiiiiii“ in das Portal, das sich hinter ihnen mit einem letzten grellen, bläulichen Glühen hinter ihnen schloss.
Fenn verabschiedete sich ebenfalls. Zwar waren seine eigenen Geschenke für die Kinder im südlichen Rietland längst unter den Burgbewohnern und Nachtgors aufgeteilt, aber dafür hatte er von den Festlichkeiten einige frische Speisen und bunte Strohsterne mitbekommen, die er noch austeilen wollte, bevor die Nacht zu Ende war. Um danach seine ... untoten, fliegenden Wardraks ... wieder ein Jahr lang bei der merkwürdigen Ausrüstungstafel abstellen. So ganz würde Aćh nie verstehen, wie der Fährtenleser dachte.
Sie atmete tief durch. „Ich kann nicht glauben, was wir in dieser Nacht alles erlebt haben. Aber na ja, wir haben es geschafft! Lasst uns die Adventsfeier genießen! He, Kram, kannst du mir jetzt endlich die Geschichte vom Santa Gor erzählen?“
Kram nickte. „Natürlich. Und ich mache es richtig. Die AUGEN sind rot, nicht die NASEN! Hrmhrm, also, die Geschichte vom Santa Gor erzählt mein guter Freund Mart immer gerne zum längsten Dunkeltag, wenn der Winter bevorsteht. Es geht darin um den guten Geist der ...“
Und damit verschwanden die Helden in der feriernden Menge. Und wenn der Morgen noch nicht angebrochen ist, dann feiern sie noch immer...


Von hoch oben sah die Schneedecke, die sich über das Rietland gelegt hatte, wahrlich malerisch aus. Entfernte Musik drang von der hell erleuchteten Rietburg und der festlich geschmückten Taverne bis unter seine Zipfelmütze, und er nickte zufrieden. „Wenn ich euch das nächste Mal sage, dass ihr einen anderen Schlitten aufhalten sollt, dann müsst ihr nicht ganz so rabiat sein.“, erklärte er in gespielter Strenge.
Neunfaches zustimmendes Schnauben war die Antwort.
„Na ja, trotzdem hat alles funktioniert, wie es sollte. Fenn übernimmt das Geschenke-Verteilen weiterhin hier, und dieser nette kleine Gor zukünftig in Hadria. Was meint ihr, wie lange noch, bis ich mich wirklich zur Ruhe setzen kann?“
Neunfaches ungläubiges Schnauben war die Antwort.
„Irgendwann, ich sage es euch, irgendwann!“ Er gähnte. „Wie auch immer, es war eine lange Nacht. Was denkt ihr, welches Geschenk verteile ich nächstes Jahr? Wohl kaum etwas Besseres als die beiden Fliege-Wardraks und die Ausrüstungstafel, die ich diesem Raben geschenkt habe, oder?“
Neunfaches belustigtes Schnauben war die Antwort.
„Stimmt schon, das Portal, das ich letztes Jahr den Nachtgors geschenkt habe, war auch nicht übel. Und dieses Jahr der Kuchen für den netten verkleideten Gor, ich sag euch, der war ein ziemlicher Aufwand. Aber ich kann mit Stolz behaupten, dass mein Kuchen immer noch schöner war als das Allerschönste, was dieser fiese Magier zustande bekommt. Der kriegt sicher nie ein Geschenk von mir!“
Neunfaches ungeduldiges Schnauben war die Antwort.
„Also schön, für dieses Jahr sind wir fertig. Zeit, nach Hause zu kommen, bevor meine Portale nicht mehr wirken.“
Ein Schnipsen ertönte und kurz erstrahlte ein grelles, bläuliches Glühen. Neun fliegende schwarze Einhörner mit rot glühenden Augen setzten sich in Bewegung. Und das Letzte, was man hörte, war ein lustiges: „Ho, Ho, Ho, Huuiiiiiiiiiiiiiii


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TroII
 
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