So, die Mitternacht ist vorbei, der alte Galaphil fängt wieder zu erzählen an.
Dieses Mal sind wir wieder im Tal von Everdell, als verspätetes Ostergeschenk kam mein vorbestelltes My 'lil Everdell am Donnerstag an, und gestern konnte ich es abholen und am Abend, als Gute-Nacht-Spiel mit der Andor-Prinzessin spielen.
So, und da sich der Vergleich mit Andor Junior ein bisschen aufdrängt, will ich meine Rezension aufdröseln und konsequent durchziehen.
Als erstes: My 'lil Everdell wird von Pegasus als Familienspiel deklariert (8+), Andor Junior hängt irgendwo zwischen Kinderspiel und Familienspiel mit 7+, die Komplexität ist etwa gleich hoch, würde ich mal behaupten.
Während AJ andere Autoren hat (die Brands anstelle von Michael Menzel), hat My 'lil Everdell denselben Autor (James Wilson), unterstützt von seiner Gattin Clarissa, die Käufer der Complete Collection schon kennen lernen durften. Das wirkt sich mMn auch sehr positiv auf das Spiel aus. Insbesondere kreide ich AJ ja ein bisschen an, dass es ein hohes Maß an Frustrationstoleranz verlangt und teilweise härtere Auslegungen als das große Andor hat (zu viel Nebel, schlechtes Fernrohr, schlechte Umsetzung der Hexe, des Geldes, usw.)
Das kleine Everdell dagegen bietet Wohlfühlpotential von Anfang bis Ende, es gibt keine Verschlechterungen, die Vereinfachungen passen sich dem Spiel geschmeidig an und es fühlt sich nie negativ oder bestrafend an.
Freilich muss man hier auch berücksichtigen, dass die beiden Spiele andere Zielsetzungen haben: Andor ist ein Heldinnen/Abenteuer Spiel, das gewonnen oder verloren werden kann, Everdell ist im Kern ein Euro-Game, in dem es rein um die Siegpunkte am Ende geht.
Zur Regel: Everdell hat eins der besten und übersichtlichsten Regelwerke, das es gibt. Andor steht/stand da um nichts nach, auch wenn DEK da spürbar abgesackt ist, Andor Junior dagegen hat definitiv keine guten Regelautoren gehabt. Ich erinnere mich noch als das Spiel gekommen ist, ich es mit der Andor-Prinzessin ausgepackt hatte und losspielen wollte, wie vom Großen Andor gewohnt - und denkste. Bis ich herausgefunden hatte, was man macht, wo man beginnt, und was man tun sollte, hatte sie Andor-Prinzessin das Interesse verloren und erst Wochen später konnten wir es dann das erste Mal spielen.
My 'lil Everdell dagegen: ausgepackt, ausgebreitet, Karten gemischt, kurz erklärt, losgespielt, Spaß gemacht! So müssen Spiele sein, um Kinder zu begeistern! Die Regeln sind quasi das große Everdell mit einigen Vereinfachungen, aber kennt man das eine braucht es eigentlich nichts, um das kleine Everdell zu spielen.
Die Spielzeit: mit 20 bis 40 Minuten angegeben, wir haben es ausgepackt, in 5 Minuten losgespielt und in unter 30 Minuten waren wir fertig. Andor Junior braucht vom Aufbau etwas länger (vor allem beim ersten Mal), und das Spiel dauert 45 bis 60 Minuten meiner Erfahrung nach.
Ein großer Pluspunkt: es gibt 2 (bis 3) Varianten, um das Spiel vor allem für Kindern zusätzlich zu vereinfachen, wobei die Kinder allein den Bonus bekommen: entweder Startressourcen zu Beginn, oder zwei verschiedene Karten, mit denen Kinder zu Beginn schon starten können, Erwachsene dagegen nicht. Damit bekommen sie einen altersgerechten Startbonus, der das Spiel für Erwachsene trotzdem zur Herausforderung macht, wenn sie es mit Kindern oder erwachsenen Anfängern spielen.
Im Spiel begann die Andor-Prinzessin sowohl mit einem grünen Gebäude als auch einem grünen Freund (Grün gleich Produktionskarte), die ihr einen deutlichen Startvorteil brachten. Am Ende hatte sie noch das Glück, das beste Gebäude, den Immerbaum (Evertree) im allerletzten Zug zu bekommen und gewann dadurch - ohne jegliche Hilfestellung! - mit 62 zu 61 Punkten. Und das fand ich in jeder Hinsicht herausragend, sowohl vom Spiel als auch von ihrer Leistung her.
Andor Junior dagegen unterscheidet überhaupt nicht, ob Kinder oder Erwachsene oder ein Mix davon das Spiel spielt, im Gegensatz zum großen Andor gibt es nicht einmal Regeln zum Leichter oder Schwerer Spielen.
Artwork: Michael Menzel ist ein großartiger Illustrator, Andrew Bosley aber seit Everdell ebenso. Beide haben die kleine Variante kindergerechter illustriert, Everdell ist aber einfach niedlicher und gefällt mir von der Art her besser. Aber das ist jetzt eigentlich ein Punkt für beide Spiele.
Das Spielgefühl: My 'lil Everdell ist Everdell vereinfacht für Familien mit Kindern, Andor Junior kommt dagegen nicht ganz an das große Andor ran, was auch an der geringen Variabilität des Endzieles liegt. Die Erweiterung macht das jetzt zwar deutlich besser, aber My 'lil Everdell hat das schon ganz alleine im Grundspiel geschafft.
Glücksfaktor: My 'lil Everdell ist halt kein Kennerspiel mehr, der Glücksfaktor ist schon recht hoch, aber auch hier sind gute und erfahrene Spieler im Vorteil. Nicht umsonst hätte ich trotz Starthandycaps das Erstspiel fast gewonnen, wäre nicht der Immerbaum (7 Siegpunkte!) von mir als letzte Karte aufgedeckt worden, den die Andor-Prinzessin dann kaufen konnte. Also ja, für Kenner zu viel Glück, für Familien und Kinder bleibt aber sehr viel Spielraum nach oben, d.h.sie können viel dabei lernen und sich taktisch auch verbessern.
Bei Andor Junior war das Spiel meiner Erfahrung nach für 2 Spieler sehr stark vom Würfeln des Roten Würfels abhängig, und welche Plättchen man im Nebel und in der Mine aufdeckte, zu viert war es dagegen etwas zu leicht.
Was ich persönlich sehr schön fand: My 'lil Everdell lagen noch Promo-Karten bei, sowohl 4 Karten für das Familienspiel, aber auch 6 Karten für das Grundspiel Everdell, die analog den Extra, Extra Karten beigemischt werden können oder auch nicht.
Und der zweite Punkt: das Spiel kann man komplett in die große Box zum großen Everdell dazuschlichten, die Ressourcen sind kompatibel (Holz, Harz, Beeren, Münzen (leider nur in Pappe, aber ich werde in Zukunft natürlich zuerst die Metallmünzen verwenden), die Karten sind schon gesleevt und passen zusätzlich in die Kartenbox, das Spielbrett hat fast dieselben Maße wie das Brett von Bellfaire und lässt sich halbwegs in die zugehörige Box obenauf legen, die Ressourcen als auch die vier zusammenbastelbaren Schachteln kann man in die Ressourcenbox dazu legen, die Regel zu den Regeln, nur die Spieler-Boards/Streifen sind um Millimeter zu breit, um sie daneben einzulegen, sie finden aber Platz über der niedrigeren Hälfte der Kartenbox. Und die Tier-Meeple sind eins zu eins dieselben des Grundspiels und wurden dort einsortiert (2 der 3 Tiere jeder Art konnte ich sogar noch mit den passenden Stickern bekleben, da in der großen Sammelbox auch von jedem Tier zwei Sticker zu viel waren.
My 'lil Everdell ist auf jeden Fall ein Muss für Sammler, aber auch für Everdell begeisterte Eltern mit Kindern, für die das große Everdell noch zu schwer ist.
Die 7-jährige Andor-Prinzessin hatte keinerlei Probleme, sowohl das Spiel als auch die Karten zu verstehen (Alle! (54) Karten sind einzigartig!) und sie konnte sogar gewinnen. Ein Spiel, das sehr gut geeignet ist, um Kinder an deutlich komplexere Spiele heranzuführen und in gewisser Hinsicht ein Gateway-Spiel in deutlich schwerere Eurogames, verbindet doch auch My 'lil Everdell drei Mechanismen in einem Spiel: *Worker placement, Tableau building, Ressourcen Management*
Von mir eine klare Empfehlung für alle Everdell-Freunde, die das Spiel auch mit Anfängern oder Kinder spielen wollen, oder die alles von Everdell sammeln wollen.
Lieben Gruß, Galaphil