Der Angriff der Krahder auf das Barbarenland war grausam gewesen. Viele Throne und Barbaren sind unter den Pranken der Riesen gestorben. Als Ragomiter sich dann wenige Tage später zum Baum der Lieder aufmachte, um Lifornus zu treffen und dessen Leichnam auffand, entfachte das in dem Krahder eine Wut. Eine unbändige Wut. Er war wütend auf die Barbaren und auf die Krahder, auf sein eigenes Volk. Er stürzte in den Wochen darauf in eine Glaubenskrise, er wusste nicht mehr, was er zu denken hatte, wie er sein eigenes Volk so hassen konnte. Bis er eine Entscheidung traf, er würde in sein Heimatland Krahd zurückkehren und sich in den Dienst des Königs stellen. Hier hielt ihn nichts mehr.
Und so machte er sich auf in sein Heimatland. Er durchquerte das graue Gebirge ohne weitere Vorfälle. Er kam an Argen vorbei und passierte sogar ein paar Skelette, die ihm keine Beachtung schenkten. Nach mehreren Wochen kam er in Krahd an. Es war ein düsterer Ort, es war heiß und unwirtlich. Es wuchsen keine Pflanzen, außer einem alten kargen Baum, der von dunkler Magie erfüllt war. Krahd war schon immer trostlos gewesen und nicht mit den Wiesen des Rietlandes zu vergleichen. Ragomiter merkte gar nicht, wie sehr er sich an Andor und Rundon, an Flüsse und Bäume, an Früchte und Sonne gewöhnt hatte und ging stur weiter in Richtung Borghorn in dem Glauben, den einzigen Weg zu gehen, der ihn zu seinem Ziel, sich selbst, bringen würde.
König Gondahar war nicht gerade dafür bekannt, zu verzeihen. Als Ragomiter vor ihm auftauchte und sein Schwert anbot, lachte der König nur. Er konnte keinen gebrauchen, der sein Schwert gegen die Eigenen erhoben hatte. Doch Gondahar war ein Mann der gute Krieger respektierte und er musste erkennen, dass Ragomiter zu einem der Besten gehörte, also handelte Gondahar milde, als er beschloss Ragomiter für immer aus Krahd zu verbannen, anstatt diesen gleich umzubringen.
Gebrochen, orientierungslos, ohne Ahnung, wo er sich nun selbst finden solle, was er tun könnte, was seine Aufgabe war, verließ Ragomiter die Feste, die so viel Leid brachte. Jenes Knochengebilde, in dem er ausgebildet worden war.
Nach einem kurzen Fußmarsch traf er einen Gor. Nein, keinen Wargor, sondern einen andorischen Gor. Der Gor begrüßte ihn: „Ein Krahder wie ich sehe. Ansich sollte ich dich ja umbringen, wenn man daran denkt, wie ihr unseren Häuptling verraten habt. Tja, als Undavahr damals unseren Anführer angegriffen hat, war zwischen Gors und Krahdern nicht mehr gut Kirschen essen. Ein paar von uns, darunter ich hatten beschlossen nach Krahd zu gehen und uns zu rächen, Undavahr selbst ins Grab zu befördern. Tja, wurde nichts draus, eure Wachen sind stärker als wir dachten, alle anderen sind tot.“
Nun erst sah Ragomiter die vielen Stichwunden, die der Gor an ganzen Körper trug, doch das war nicht das Sonderbarste an diesem und an dem, was er sagte.
>> Undavahr wollte euch hintergehen? <<
Der Gor lachte nur spöttisch, als würde er Ragomiters Scheinheiligkeit verurteilen.
>> Klar, tu doch nicht so, du warst doch sicher auch bei der Schlacht um das Barbarenland dabei. <<
>> Oh ja, das war ich. Ich habe aber für die Barbaren gekämpft. Ich bin Ragomiter. <<
Schweigen.
>> Ich habe von einem Ragomiter gehört. Du sollst sehr tapfer sein. So einem wie dich könnte ich mich anschließen. Ich suche eh nach einer neuen Richtung, in die ich gehen könnte, zurück kann ich nicht und weiter vor, << er deutete auf die Feste von Borhorn >> geht ja auch nicht. Ich bin übrigens Lostinn. <<
Nun war es an Ragomiter zu lachen.
>> Du willst dich mir anschließen? Ich weiß doch selbst nicht wohin ich gehe. Und außerdem, unterstehst du nicht noch immer dem Gorhäuptling? <<
>> Vergiss den Gorhäuptling. Die Thorne und ihre Streiter haben ihn nach der Jagd des Catlasinns so gebrochen, dass der sich nicht mal mehr an Bauern ran traut. Er ist kein würdiger Anführer. Ihr hingegen seid als großer Krieger bekannt, es wäre eine Ehre euch zu dienen. <<
Ragomiter stimmte Lostinns Vorschlag zu und sie machten sich gemeinsam auf den Weg aus Krahd heraus und in die Zukunft, wohin diese sie leiten würde, wussten sie nicht, aber sie wussten beide, dass es weit weg von dem Land der Riesen war.
Die beiden waren einige Tage unterwegs, bis sich ihnen ein Skelett in den Weg stellte.
>> Ein Gor! Hier draußen. Du musst einer derer sein, die das Attentat versucht haben. Rührt euch nicht! <<
Ragomiter und Lostinn blieben stehen. Die Augen des Skelettes funkelten sie wütend an und Ragomiter war schon bereit sein Schwert zu ziehen, als Lostinn ihn zurückhielt.
>> Erklär mir das. Warum machst du das hier überhaupt? Du lebst… <<, er blickte das Skelett an >> oder lebst vielleicht nicht aber verschwendest deine Zeit damit dem zu folgen, was dir irgendwelche Krahder sagen? Ich meine, das ist doch kein Leben, oder Totsein. Schau, ich habe einen Vorschlag für dich, anstatt dich hier zum Deppen zu machen und von meinem Freund hier niedergestreckt zu werden, verschwinde doch einfach. Hau ab. Du bist den Krahdern nichts schuldig. Wahrscheinlich wärst du doch eh glücklicher gewesen, wenn sie dich tot gelassen hätten. <<
Das Skelett blickte den Gor lange an und es wirkte schon fast so, als wäre es traurig, was man aber nicht wirklich fest machen konnte, dass es kein Gesicht hatte, an dem sich sowas erkennen ließ.
>> Und wohin soll ich gehen? Ich habe nichts. Alles was ich kenne ist dieses Gebirge. Alles was ich weiß, ist mit dem Schwert umzugehen und den Krahdern zu folgen. Selbst wenn ich gehen wollte, ich wüsste nicht wohin. <<
Lostinn lächelte. Nicht böswillig, oder verschmitzt, sondern aufrichtig, also so aufrichtig, wie ein Gor nun mal lächeln kann.
>> Komm mit uns. Ich verspreche dir, du wirst es nicht bereuen. Hast du denn einen Namen? << und auf ein Verneinen des Skeletts überlegte Lostinn und sagte: >> Kistrog, wir werden dich Kistrog nennen. Es war der Name eines großen Kriegers und ich sehe dir an, dass du auch Großes vollbringen wirst. <<
Anmerkung: Dies ist eine "Neuauflage" einer Geschichte, die ich schon einmal hier hochgeladen habe, die aber zeitlich mit anderen Geschichten, die später entstanden sind, nicht mehr überein stimmte, also dachte ich, überarbeite ich sie mal.
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